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Entstehungsgeschichte

Vorneweg ein paar Gedanken…

Ich zähle mich zu den privilegierten Menschen in unserer Gesellschaft; abgesehen davon, dass ich im Laufe meiner Entwicklung stets genug Liebe und Fürsorge erfahren habe, ist es mir als Erwachsene gelungen, meine Leidenschaft für Pferde und mein Interesse für Menschen zu einem Beruf zu verbinden. Somit erlebe ich durch meine Arbeit viel Freude und unzählige Momente tiefer Zufriedenheit, weshalb mein Beruf für mich weit mehr Bedeutung hat als bloßer Lohnerwerb.   Ich möchte mich an dieser Stelle bei jenen Menschen bedanken, die durch ihr Zutun und ihre Unterstützung bei der Verwirklichung dieses Vorhabens geholfen haben. An erster Stelle bei meinem Ehemann Robert, der sich von der Idee anstecken ließ, mit unseren Pferden quasi „unter einem Dach“ zu leben; bei meinen Eltern, die stets unterstützend waren und mir immer wieder Mut zugesprochen haben, insbesondere dann, wenn Ratlosigkeit oder Erschöpfung drohten; bei meinem Bruder, der beim Innenausbau selbst Hand angelegt hat; bei meinen Schwiegereltern, die unzählige Tage auf der Baustelle verbracht haben, sei es nun zwecks Bauaufsicht oder später bei diversen Arbeiten im Innen- und im Außenbereich; bei Karina und Philipp, den Kindern meines Mannes, die bei vielen Arbeiten mitgeholfen haben, und sich nie beklagt haben, dass ihnen in der Bauphase sowenig Zeit und Aufmerksamkeit zuteil wurde.   Danke!  

Wie alles begann… Nach Abschluss meines Psychologiestudiums absolvierte ich beim Österreichischen Kuratorium für Therapeutisches Reiten die Ausbildung für Heilpädagogisches Voltigieren; dabei handelt es sich um eine spezielle Form des Therapeutischen Reitens, welche u.a. pädagogische, psychologische, psychotherapeutische Angebote mit Hilfe des Pferdes in sich vereint. Diese tier-therapeutische Maßnahme richtet sich an behinderte oder beeinträchtigte Menschen jeden Alters, vor allem jedoch Kinder und Jugendliche mit verschiedensten Beeinträchtigungen und psychischen Auffälligkeiten. Ab 1994 arbeitete ich als Voltigiertherapeutin mit eigenem Therapiepferd an einem Tag pro Woche in einem kleinen Reitstall in NÖ; zu meinen Klienten zählten in erster Linie autistisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie psychisch kranke Menschen. Mit der Zeit stieg die Nachfrage und so mietete ich noch ein Pferd dazu und arbeitete an zwei, später dann an drei Tagen. Gleichzeitig wurden aber auch die Differenzen mit anderen Reitstallbenutzern häufiger, woran auch ein mehrmaliger Stallwechsel nichts änderte. Anfänglich war das Interesse an meiner Arbeit immer groß, mit der Zeit stieß ich jedoch aufgrund mangelnder Toleranz des Umfeldes immer wieder an Grenzen: Sobald ein Kind laut, unangepasst, eben anders als „normal“ agierte, fühlte sich jemand gestört, was sowohl mir als auch den Angehörigen gegenüber offen signalisiert wurde. Ab diesem Zeitpunkt war es „ungemütlich“, nicht nur deshalb weil die Eltern dann bei Wind und Wetter draußen warteten statt im Reiterstüberl;  meine Arbeit, die mich doch stets mit Freude erfüllte, fiel mir plötzlich schwer und bald darauf wurde mir nahegelegt zu gehen. Die mangelnde Wertschätzung behinderten Menschen gegenüber gipfelte einstmals in der paradoxen Aussage eines Reitstallbesitzers, der meinte: „Ich dachte das sind normale Behinderte, aber zu Ihnen kommen ja lauter Narren!“ Mit den Jahren erzeugte dieses „Nomadendasein“ eine große Unzufriedenheit bei mir, konnte ich meinen Klienten und deren Angehörigen nicht jenes Ambiente bieten, welches ich mir wünschte. Mittlerweile arbeite ich hauptberuflich als Voltigiertherapeutin und teile die Verantwortung für die „PFERDESTÄRKEN“ meiner inzwischen drei Therapiepferde mit meinem Ehemann.

Aus den oben genannten Gründen entstand mein Wunsch nach einer eigenen, speziell für Therapeutisches Reiten ausgerichteten Anlage, mit  

•    einem Therapiereitplatz,

•    einem Offenstall inkl. Koppeln,  

•    Nebengebäuden (Lageräume),

•    einem Aufenthalts- bzw. Praxisraum inkl. Küchenzeile und WC,

•    einem Wohnhaus und

•    viel Freiraum für Bewegung.  

Wozu es gut ist … Ich verstehe behinderte Menschen als Auftrag an die Gesellschaft nach bestmöglicher Unterstützung, mit dem Ziel ein möglichst hohes Maß an Selbstständigkeit zu entwickeln. Für die Klient/Innen ermöglicht Heilpädagogisches Voltigieren  

•    eine Freizeitbeschäftigung mit therapeutischen Wert,

•    Freude an der Bewegung,

•    Selbstbestätigung,

•    Entspannung und Wohlbefinden,

•    Gemeinschaft erleben und

•    das Nachholen wichtiger Erfahrungen, wie Getragen werden und Angenommen sein.    

Viele wissenschaftliche Belege zeigen, dass das Getragenwerden am Pferderücken Bedürfnisse stillt und tröstend wirkt. Schon das bloße Sitzen auf dem Pferd führt durch den einzigartigen Schrittrhythmus dazu, dass Wahrnehmung und Motorik geschult werden. Durch den Einsatz spezieller Übungen und Spiele können sprachliche wie auch kognitive Verbesserungen initiiert werden. Darüber hinaus verfügt das Pferd als soziales Wesen über eine hoch entwickelte Körpersprache und reagiert gemäß seiner Instinkte immer authentisch. Dem Kind -  behindert wie nicht-behindert - begegnet es stets ohne Vorbehalt und unterscheidet sich dadurch maßgeblich von uns Menschen.    Ein weiteres Ziel vorliegender Projektidee besteht darin, dass behinderte oder beeinträchtigte Jugendliche und Erwachsene in diesem Rahmen nicht nur Konsumenten einer therapeutischen Maßnahme sind, sondern auch aktiv eingebunden werden. Unter dem Motto „mit PFERDEn STÄRKEN“ wird ihnen die Möglichkeit gegeben, bestimmte Arbeiten im Tagesablauf zu übernehmen und einen individuellen Beitrag zu leisten (z.B.: Pferdefütterung, Putzen, Ausmisten, ..); die Erfahrung, selbst etwas bewirken zu können – behinderten Menschen bleibt sie oft verwehrt –,  führt zu einer enormen Selbstwertsteigerung und kann bei der späteren Eingliederung in Arbeitsprozesse nützlich sein.  

Jetzt geht’s wirklich los …

Die Grundstückssuche beschränkte sich auf den Bezirk Mödling, da in diesem Einzugsbereich viele Beziehungen zu Klienten und Behinderteneinrichtungen vorhanden waren; insbesondere die Wienerwaldgemeinde Kaltenleutgeben kam bei der Suche in die engere Auswahl. Der Kontakt zum Bürgermeister der Gemeinde wurden genutzt um Informationen über mehrere Liegenschaften im Ort zu erhalten. Nachdem vom Gemeindevorstand von Kaltenleutgeben die entsprechenden Genehmigungen eingeholt wurden kauften wir schließlich im Dezember 2005 ein ca. 3.000 m2 großes Grundstück. Mit Angelegenheiten bezüglich Finanzierung, notariellen Kaufvertrag und der Eintragung ins Grundbuch verbrachten wir die nächsten Wochen. Plötzlich beschäftigten uns Dinge, die uns vorher kaum tangierten: So betrachten wir seitdem kritisch die Zinsentwicklung, zählt unser Kredit doch eben so viele Jahre wie ein Pferdeleben.

Nun begann die Phase der Planung und Vorbereitung: Um Kosten zu sparen übernahm mein Ehemann die Rolle des Architekten und plante in unzähligen Abendstunden vor dem PC unsere Anlage. Viele Details galt es zu berücksichtigen, wer jemals schon gebaut hat, weiß dies. Der Offenstall sollte artgerecht sein und möglichst im Verbund mit den Lagerräumen, um tägliche Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Der Aufenthaltsraum bzw. Praxisraum sollte möglichst nahe am Pferdebereich liegen, um die geplante Einbeziehung behinderter Menschen zu ermöglichen, andererseits sollte dieser Raum auch für Beratungsgespräche nutzbar sein. Unser Wohnbereich sollte klar abgegrenzt sein, dennoch einen Blick auf die Pferde erlauben. Der Reitplatz muss ca. 800 m2 möglichst ebene Fläche haben, wie geht das bei einem Hanggrund? Wo ist der geeignete Ort für die Miststätte, der allen Auflagen gerecht wird und dennoch praktisch im Sinn der Ökonomie ist?  Einreichung – Ablehnung – Änderung – Einreichung – Genehmigung!

Endlich im Juni 2006 war Baubeginn, es kamen die Bagger! Schon im Vorfeld bemühte ich mich um Förderungen und Subventionen aus öffentlicher Hand. Ich bekam viel Interesse zu spürte in einigen Fällen auch echtes Bemühen, jedoch gab es keinen Fördertopf, in dem unser Projekt hineinpasste. Also doch alles aus Eigenmitteln finanzieren? So begann ich an Unternehmen heranzutreten, schrieb Briefe, schickte Fotos,  erklärte mein Vorhaben. In vielen Fällen kam keine Reaktion, bei einigen jedoch stieß ich auf offene Ohren. Unseren Sponsoren und Unterstützern sei an dieser Stelle nochmals gedankt; ohne deren Zutun wäre dieses Projekt bestimmt nicht so zu verwirklichen gewesen. Innerhalb von zwei Monaten stand der Rohbau, dann kamen das Dach, Fenster und Türen, Installationen, Leitungen, Estriche und der Innenputz. Der milde Winter ermöglichte, dass noch im Dezember 2006 mit Isolierung und Fassade die Gebäude außen fertig gestellt wurden. Viele Wochenenden im Advent verbrachten wir mit Ausmalen und Fliesenlegen, unterstützt von unseren Familien. Schließlich – sechs Tage vor Weihnachten – bezogen wir unser neues Zuhause. Vorerst noch ohne Pferde, weil der Stallbereich noch mit einem speziellen Bodenbelag versehen werden musste und die Koppel noch ohne Zaun war. Um die Tiere jedoch an ihr neues Zuhause zu gewöhnen holten wir sie immer wieder an den Wochenenden zu uns, bis sie schließlich zu Ostern in den neuen Stall zogen. Zur gleichen Zeit wurden die Nebenräume fertig, Futter eingelagert und der Praxisraum grundeingerichtet. Ab sofort hatte das Projekt „mit PFERDEn STÄRKEN“ eine Adresse; ich informierte alle Klienten bzw. deren Angehörigen über den neuen Standort – es ging los! Wichtig ist es mir, hier noch anzumerken, dass wir auch auf Nachhaltigkeit Wert gelegt haben: Zum Beispiel durch den Einbau einer Regenwasserzisterne und die Schaffung einer Nutzwasserleitung, welche die beiden Toiletten sowie den gesamten Außenbereich versorgt. Des Weiteren wurden die Leitungen für eine später zu installierende Solaranlage bereits verlegt. Auch im laufenden Betrieb setzen wir auf resourcenschonende Vorgehensweise, in dem z.B. Kompostwürmer den Pferdemist zu wertvollem Humus umwandeln, der dann wieder unseren Grünflächen und Pflanzen zugute kommt.

Wie man mit PFERDEn STÄRKEN kann …

·         An vier Nachmittagen pro Woche, sowie fallweise auch vormittags werden ca. 30 Kinder und Jugendliche, teils mit unterschiedlichen Behinderungen sowie 15 erwachsene behinderte Menschen gemeinsam mit zwei weiteren Kolleginnen therapeutisch betreut. Der Großteil meiner Klienten kommt zum Heilpädagogischen, viele Geschwisterkinder zum sportlichen Voltigieren; es gibt auch mehrere integrativ geführte Gruppen. Das Zusammensein mit dem Pferd führt zu Verbesserungen der Befindlichkeiten der Klient/Innen, was längerfristig in einer gesteigerten Lebensqualität resultiert. Davon profitiert auch das soziale Umfeld der Klient/Innen. Für erwachsene Menschen (z.B. auch Eltern) wird Selbsterfahrung auf dem Pferd als Entspannungsmethode angeboten.

·         Das Vorhaben, behinderte Menschen mehr in alltägliche Abläufe einzubauen ist sehr gut angelaufen. Im Moment helfen zwei junge behinderte Männer wöchentlich bei verschiedenen Arbeiten im Stallbereich mit (z.B. Grasschnitt einholen, Koppel abknödeln). Mehrere Jugendliche können mit Unterstützung „ihr“ Therapiepferd von der Koppel holen und es selbstständig putzen. Immer wieder absolvieren Menschen mit Behinderung ein Praktikum bei uns, welches bei der Eingliederung auf den ersten Arbeitsmarkt helfen soll.

·         Begegnung und Austausch zwischen Angehörigen soll ermöglicht werden. Im Aufenthaltsraum stehen Getränke, Kekse und Obst zur Verfügung; weiters gibt es Musik und Bücher für die Wartezeit. Insbesondere Angehörige von behinderten Menschen sehen sich einer Menge von Belastungen ausgeliefert und haben hier die Möglichkeit zu einer „Verschnaufpause“.

·         Im Rahmen ihrer Ausbildung zur Voltigiertherapeutin, sowie anderer sozialer Berufe können junge Fachkräfte ein Praktikum ableisten und stellen somit ihre Arbeitskraft und ihr Fachwissen zur Verfügung.

·         Ein Stück der Hilfe, die mir bei der Verwirklichung des Projektes „mit PFERDEn STÄRKEN“ zuteil geworden ist gebe ich gerne weiter: So biete ich in Härtefällen einen Sozialtarif an, bisweilen auch einige gratis Therapieeinheiten. Für Eltern und Angehörige stehe ich als Ansprechpartner zur Verfügung, in regelmäßigen Abständen führe ich kostenlose Elterngespräche zwecks Zielformulierung und Evaluierung.  

Ein besonderes Anliegen ist mir ist die Integration behinderter bzw. beeinträchtigter Menschen. Durch das Angebot Heilpädagogisches Voltigieren, befinden sich mehr behinderte Menschen als bisher in der Umgebung. Durch Aufklärung und Informationen soll mehr Kontakt zu den Bewohnern des Ortes hergestellt werden. Durch die Gelegenheit Fragen zu stellen können Befürchtungen und Verunsicherungen abgebaut werden. Im Idealfall können diese Maßnahmen zu einem positiv veränderten Bild behinderter Menschen in unserer Gesellschaft führen. 

Das exzellenteste Beispiel für Nachhaltigkeit ist natürlich das Pferd selbst: Es verbraucht nur nachwachsende Rohstoffe, ist absolut schadstofffrei und kann im Laufe seines Lebens durch seine Zugleistung ca. 70 000 Liter Rohöl sparen (SLAWIK, 2002).